Arizona: Thanksgiving, Sommer, Wüste
- vevefaitlaboum
- 1. Dez. 2020
- 18 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 25. Dez. 2020
Woche 1:
Die letzten paar Tage und Wochen haben mich etwas nachdenklich gemacht. Vielleicht ist es Thanksgiving, was mich dazu gebracht hat. (Mal davon abgesehen, dass die Geschichte dieses Fests wirklich komplett an dem vorbeigeht, was heute eigentlich gefeiert wird. Dazu ist eine Folge des Podcasts 'The Dollop'' echt interessant: Thanksgiving). Danke sagen für das, was das Leben einem schenkt. Ich bin wirklich unglaublich dankbar für so Vieles im Moment. Auch wenn nicht alles immer rosig ist, und ich meine Freunde und Familie vermisse - alle sind gesund. Fast habe ich schon ein schlechtes Gewissen, dass es mir so unglaublich gut geht gerade.
2020 war für mich einerseits ein total 'normales' Jahr in dem Sinne, dass jegliche Pläne erstmal auf Eis gelegt werden mussten, was unglaublich hart zu akzeptieren war. Also wie bei allen anderen auch. Aber trotzdem hatte ich Glück - einen stetigen Job über 9 Monate, dort viel Neues kennengelernt, nebenbei viel Quality-Time mit der Familie und Freunden verbracht.

Gleichzeitig war aber auch gerade die zweite Hälfte von 2020 ein totaler Gegenentwurf zu dem der allermeisten Leute. 2 Wochen Urlaub bei Freunden in einem neuen Land, so viel geflogen wie die Jahre vorher nicht (das finde ich eigentlich nur so mittelgut, aber schwimmen geht ja leider nicht..), meine Reise zu Aidan hat nun doch geklappt, das Zusammenleben in der neuen Stadt ist super, der Kontakt nach Hause ist super und jetzt schon wieder neues Land entdecken: die Wüste Arizonas, wo Aidans Eltern und Brüder wohnen. Und mit diesem Familienzuwachs hätte ich kaum mehr Glück haben können. So offen und herzlich, wie ich hier aufgenommen wurde, das ist echt bemerkenswert. Uns fehlt es an nichts, für meine Verhältnisse ist es schon echt luxuriös und dazu kommt dieses Traum-Wetter von 23 Grad tagsüber. Und dass ich das Privileg habe, all dies zu erleben, dafür habe ich ja eigentlich nichts aktiv gemacht. Das ist Nichts, wo ich sagen könnte 'das hab ich mir verdient'. Einfach pures Glück. Und dafür bin ich so dankbar.

Aber jetzt genug der Gefühlsduselei - die Bedeutung von Thanksgiving heute in den USA ist eigentlich von zwei Dingen dominiert: Essen und Familie. Naja ok, drei. Essen, Familie und noch mehr Essen. Das war echt eine coole Erfahrung und eine, die mich nach den ganzen Feiertagen garantiert Diät halten lässt.. Ich glaube, ich bekomme niemals alle Gerichte noch zusammen, aber ein Blick auf die To-Do Vorbereitungsliste für Mittwoch lässt vielleicht einige Vermutungen zu. 😁 Mit den Vorbereitungen waren Pam und ich insgesamt bestimmt eineinhalb Tage beschäftigt, wenn man Einkaufen und so auch dazu zählt. Aber zu zweit war das dann relativ schnell bewältigt und es hat mir voll Spaß gemacht, mal ganz neue Gerichte zu probieren. Darüber hinaus war ja dieses Jahr sowieso Einiges anders. Normalerweise ist hier zu Thanksgiving immer mehr als Full House. So um die 30 Leute kommen jedes Jahr und viele Leute bringen dann ein oder zwei Gerichte mit, so dass niemand alles allein machen muss. Da aber unsere Gemeinschaft diesmal auf elf Leute begrenzt war, ging das nicht so wirklich. Eine deutsche Kleinigkeit habe ich mit dem Rote Beete Salat noch mit eingebracht und außerdem war ich wieder die Dip-Bitch. Also Küchenschlacht!
Brady, Kat und Maddie, Aidans Cousin, dessen Freundin und Schwester kamen am Mittwochmittag an und wir waren gerade vorher passend mit den Vorbereitungen fertig. Abends kamen dann noch die restlichen Leute: Aidans Brüder aus Flagstaff, wo die Uni ist, und Nick und Lindsey, Cousin von Pams Seite der Familie. Da der Pool nun doch etwas kalt geworden ist, hat Aidans Papa die Heizung angeschmissen und so konnten wir echt noch ein bisschen planschen und - das war mein Traum sobald ich den Garten inzpiziert hatte - einen Cocktail am im Pool eingebauten Tisch genießen (ich sag ja, dankbar und so..).
Am Thanksgiving-Morgen geht's als erstes los zum 'Turkey-Trot'. Früher wurde da scheinbar noch gejoggt, aber ich war echt froh, dass mir die Blamage erspart blieb. So war das einfach ein schöner Spaziergang um zwei Seen hier in der Nähe. Danach haben wir Bagels geholt und gefrühstückt. Mehrkorn mit Ei, Schinken und Austrich - so american! Mittags stand ein Skype-Date mit dem kompletten Walter-Clan an, danach nur Chillerei und zwischendurch ein Fotoshoot für das Foto auf der Weihnachtsgrußkarte. Daraus wurde dann auch noch ein kurzer, blödeliger Pärchen-Shoot, aber waren tatsächlich ganz sweete Fotos dabei. :)
Gegen drei Uhr ging das Snacken los: Chips und Tortillachips und Gemüse und Brot zum Dippen. Dazu Margaritas von Tim. Der ist hier Drink-Verantwortlicher im Haus und Aidan scheint ihm auch da in die Fußstapfen zu treten. Was danach abgeht ist pure Völlerei - nice! Truthahn, Schinken, Süßkartoffelauflauf, Salat, Kartoffelbrei, Stuffing (brühegetränkte Brotstücke mit angebratener Sellerie und Zwiebeln im Ofen gebacken) und Gravy (so ähnlich wie Bratensoße), grüne Bohnen in Pilzcremesoße gebacken, Ofengemüse, Briochebrötchen, Maisauflauf, Pumpkin Pie, Apfelstreuselkuchen, Cranberry-Soße. Vier Zeilen voll Magenschmerzen! 😁 Zum Glück gibt's Tums, sowas wie Rennie.
Aber auch sonst ist Arizona richtig schön. Am zweiten Tag sind wir hier ein Stück die Straße hochgegangen und dann über 'nen Trampelpfad in die Wüste. Super super genial. Hat mich total an meinen Urlaub mit Mama vor genau einem Jahr erinnert mit den ganzen Kakteen und kärglichem Grün. Angeblich gibt es hier auch Klapperschlangen und gestern wurde dann die Anekdote erzählt, wie bei Aidans 16. Geburtstag, als alle im Pool waren, sein kleiner Bruder ankommt: "Hey, wisst ihr eigentlich, dass da 'ne Schlange mit euch schwimmt?". Es war noch eine Babyklapperschlange, aber die sollen wohl noch schlimmer sein als die ausgewachsenen, weil sie ihr Gift noch nicht so richtig dosieren können. Aber ist nichts weiter Schlimmes passiert, nicht einmal die Schlange hat Schaden genommen - Tim hat sie mit einem Poolnetz eingefangen und über den Gartenzaun geschmissen. Das Tierreich ist schon interessant. Ich erinnere mich gut an ein Foto, das Aidan mir mal geschickt hat. Da saß eine riesige Tarantel hier am Wohnzimmerfenster. Glaube, wenn ich das gesehen hätte, da wäre ein Defibrillator nötig gewesen. Herzstillstand..

Und gestern kommt dann Aidan an: "Ey willst du mal einen Skorpion sehen?". Und tatsächlich, da sitzt ein winziges Ding in einer der vielen Pappschachteln, eine Falle wie ich dann erfahren hab. Der CATCHMASTER PRO - wow! Hatte mich schon gefragt, warum die in der Garage überall rumliegen. Ganz farblos, also auch noch ein Baby, aber auch hier sind die schlimmer als die ganz großen. Maddie, die als einzige von den Thanksgiving Gästen noch hier ist, hat heute Geburtstag und deshalb wird gleich Kuchen gebacken und Pam nimmt uns beiden mit zu 'nem kleinen Ausflug zum Botanischen Garten. Abends gehen wir dann in einem Outdoor Restaurant essen (endlich mal wieder essen!).
Woche 2:
Der Botanische Garten war super! Total schön angelegte Kakteen-Gärten. Da momentan ja selbst hier 'Winter' ist, hat leider kaum etwas geblüht, aber im Frühlich will ich unbedingt noch mal dort hin! Echt ein großes Gelände mit verschiedenen Themen, wie dem Schmetterlingspark oder das Leben der Native Americans bevor die Settler kamen. Wir sind echt einmal komplett durchspaziert und haben Mittags bei Gertrude's Lunch gegessen (Aperol Spritz ballert hier!).
Abends waren wir beim italienischen Restaurant Bella Luna (fand ich lustig, dass 2 unserer Katzen auch so heißen/hießen) für Maddies Geburtstag. Nur Tim und Seamus konnten leider nicht dabei sein. Es war relativ kühl draußen, aber da unser Tisch zwischen 3 Heizpilzen stand, war das kein Problem. Aidan bestellt 'ne Flasche Weißwein und viiiel zu fancy - der Kellner kommt mit der Flasche, präsentiert sie wie ein Baby dem frischgebackenen Vater und öffnet die Flasche an unserem Tisch. Aidan nickt und versucht nicht zu lachen. Alle anderen kichern sich einen zurecht. Nun soll er auch noch einen Testschluck nehmen. Das Resultat: "Yup". Auf dem Level von Erwachsensein bewegen wir uns definitiv noch nicht, aber da Aidan kurz vorher noch von einer ähnlich komischen Erfahrung berichtet hat, war es einfach doppelt witzig. Das Essen schmeckt fantastisch, doch nach eineinhalb Stunden haben sich die drei Heizpilze von einer warmen Umarmung zu einem ausgewachsenen Fiebertraum entwickelt und so lassen wir die Reste einpacken und es geht wieder Heim.
Nachdem ich bisher immer nur ultra süße Babyfotos bekommen hatte, darf ich nun endlich auch Gabby & Wiley kennenlernen. Das sind die Zwillinge von Pams Bruder. Wir sind nach Cave Creek (total verrücktes Biker-Städtchen) zu Aidans Oma mütterlicherseits gefahren. Das ist etwa eine Stunde von uns entfernt mit dem Auto. Auf den letzten paar Kilometern wurde mir direkt richtig schlecht, weil die Straße immer auf und ab ging; es sah fast aus wie 'ne Achterbahn.

Die Zwillinge sind super knuffig und nach 'ner Weile ist besonders Gabby total aufgetaut und wir haben Bücher gelesen und sie hat mir alle Leute auf den Fotos gezeigt (besonders immer 'Dada'). Von Wiley gibt's kein Foto, aber der ist total witzig, wenn er entdeckt, dass einer der Ventilatoren oder eine Lampe ausgeschaltet ist. Dann läuft er hin und ruft 'Uh-oh'. Aidans Oma wiederzusehen ist auch toll. Das letzte Mal hatte ich sie 2016 in Irland gesehen, als Aidans Familie dort nach unserem Auslandssemester Weihnachten verbracht hat. Kleine und zierliche Frau, die in den letzten vier Jahren quasi nicht gealtert ist. Topfit noch dazu. Richtig toller Besuch war das. Als wir gehen mussten, wollte Gabby mich gar nicht loslassen und klammerte sich wie ein Äffchen an mich. Aber als wir dann circa zehn Minuten noch aus dem Auto gewinkt haben, sah die Welt wieder etwas besser aus.
Am Donnerstag haben wir einen Tagestrip nach Sedona gemacht. Die 2 Stunden Fahrt allein war schon super schön. Durch Berglandschaften ging es immer höher und die Aussicht war total genial! Aus dem Auto ließ sich leider nicht so gut fotografieren.. Irgendwann war die Erde teils total schwarz und Pam hat erzähl, dass es dort diesen Sommer 2 Tage lang gebrannt hat.

Es waren wirklich nur so ein paar kleine weiße und vertrocknete Flecken Gras dazwischen und immer wieder Baumstümpfe. Sehr bedrückend irgendwie.
Sedona selbst war dann einfach unglaublich schön. Zwar schon sehr touristisch geprägt, aber da gerade Winter war, ging es total klar. Als erstes haben wir eine 'Pink Jeep Tour' gemacht. Auf was genau ich mich da einlasse, wusste ich gar nicht so genau, aber die Broschüre sah toll aus. Fünf Gäste und ein Fahrer setzen sich in einen knallpinken, zu den Seiten offenen Jeep und fahren durch den Regionalpark. Das war SO UNGLAUBLICH holprig und steil und steinig. An manchen Stellen glaubte man kaum, dass es noch weiter gehen könnte. Total geil, wie eine Achterbahnfahrt!
Im Video sieht man nur so halbwegs, wie steil es in echt ist. Aus Angst vor Handysterben, habe ich das Video dann schnell beendet. Aber ein anderes Foto gibt vielleicht noch gut Aufschluss, wie verrückt es teilweise war, im 45° Winkel zu sitzen. Insgesamt ging die Tour etwa 1,5 Stunden durch die 'Red Rocks', für die Sedona und seine Umgebung so bekannt ist. Die Färbung kommt durch Eisenoxid im Stein und interessant ist auch, dass dies so gesehen eigentlich gar keine 'richtigen' Berge sind, sondern das, was übrig geblieben ist und nicht durch Wasser und Wind abgetragen wurde. Also der harte Tobak. Ungefähr 180 Millionen Jahre sind die Gebirge alt und ursprünglich war das Gebiet scheinbar sogar mit dem Grand Canyon verbunden, da die hiesigen unteren Gesteinsschichten die gleichen sind wie dort. Verrückte, tolle Natur! Da es hier quasi nie Wolken gibt, sucht man statt Wolkenbildern nach Formen und Figuren in den Bergen. So gibt es 'die drei Nonnen', eine Katze, die nicht aus Felsen ist, sondern durch den Himmel geformt wird, wenn man durch eine Felslücke schaut, ein Snoopy, ein Adler und bestimmt noch ein paar, die ich vergessen habe.
Nach 'nem großen Salat zum Mittag geht es weiter: wir wollen den Doe Mountain erklimmen. Das sind zum Glück nur 1,5 km, wir sind nämlich alle sehr vollgefuttert. Aber die erste Herausforderung ist, das GPS-Signal nicht zu verlieren.. Beim zweiten Anlauf klappt es dann aber. Es ist eine Mischung aus Wandern und Klettern, was ich total liebe. Richtig genial. Nach 'ner halben- dreiviertel Stunde etwa sind wir dann oben angekommen und es ist ein 'Mesa' - Tisch auf Spanisch. Also eine große flache Ebene, wie man auch auf dem Screenshot von der Karte sieht. Dort wachsen auch Kakteen und Bäume und der Ausblick von der anderen Seite des Trails ist unglaublich. Eine riesige Ebene aus Bäumen ist von der nächsten Bergkette eingegrenzt. Bin sehr beeindruckt. Wir laufen etwas herum und klettern wieder runter. Auf dem Weg aus Sedona hinaus sehen wir dann noch eine mini Trump-Rally. Wir waren so freundlich und haben ihnen das 'L' an der Stirn gezeigt, weil wir cool sind! Perfekter Ausflug!


Anfang dieser Woche habe ich auch ein paar von Aidans Freunden aus Highschool-Zeiten kennen-gelernt. Zuerst waren wir bei Justin mit Chris und Selina zum 'Friendsgiving'. Das ist quasi, wenn man sich nach Thanksgiving mit seinen Freunden trifft, Reste isst und was trinkt. War witzig! Justin hatte gerade kleine Kätzchen bekommen und ich war im siebten Himmel. Soooooooo süß!! Total verspielt und verschmust. Aidan war so mittelbegeistert. Der arme Allergiker.
Am Freitag waren wir dann bei Zach und Paige. Chris und Selina waren auch da und endlich habe ich Aidans besten Freund kennengelernt, der bei der Hochzeit auch Trauzeuge ist: Brett. Bei ihm haben wir auch übernachtet. Das war ein sehr witziger und beschwipster (Euphemismus!) Abend. Es gab Kings Cup, Bitch-Cup (was hier Stack-Cup heißt) und zwei verschiedene Versionen von Irish Poker, gefolgt von Busfahren... JA, ich hatte einen dicken Kater. Mit den Freunden verstehe ich mich zum Glück super. Besonders Brett, der hat einen sehr witzigen trockenen Humor und ich verstehe jetzt sehr gut, warum er und Aidan sich so gut verstehen.
Am Samstag hatten Tim & Pam 28. Jahrestag. Da waren natürlich Rosen angesagt. Ansonsten war der Tag komplett von Weihnachten geprägt. Wir haben den großen Weihnachtsbaum geschmückt mit all den verschiedenen Ornamenten, welche über die Jahre alle (vor allem Pam) immer von Reisen mitgebracht haben. Da waren einige witzige Fotos von den drei Jungs dabei, aber auch richtig richtig süße. (Bin zu der Überzeugung gekommen, das unsere Babys super sweet sein werden haha.) Dazu gab es Weihnachtsmusik und ich habe Glühwein gemacht, der sehr gut bei allen angekommen ist, besonders Pam war begeistert (Kopfschmerzen: vorhanden..). Käseplatte und Cracker zum Snacken - super Samstag!
Woche 3:
Ich komme kaum noch hinterher mit dem Schreiben. Am Anfang dieser Woche sind wir ausgeritten! Cave Creek ist ein Ort nördlich von Phoenix, circa eine Stunde Fahrt entfernt. Dort wohnt Aidans Oma, Pams Mutter. Letztere ist da aufgewachsen, hatte früher selbst Pferde und kennt die Gegend sehr gut. Das letzte Mal, als die Walters das zur Belustigung von Gästen gemacht haben, ist das Pferd von Aidans Cousine mit ihr durchgegangen, weil einer der Stallburschen wohl ihr Pferd vollkommen verschreckt hat.

Also hat Pam uns für dieses Mal einen anderen Stall ausgesucht. Maddie saß auf Peaches, Pam auf Smiley und ich auf Paisley. Alles sehr gechillte Genossinnen. Besonders Peaches, die natürlich vorne weg direkt hinter unserem Guide lief, war unglaublich gechillt. Mein Pony hat der ständig fast in den Hintern gebissen, was mir leichte Sorge gemacht hat, weil es in der Erklärung zu Anfang hieß, dass die Pferdis ihren Freiraum mögen und wir genug Abstand lassen sollen... Aber ist alles gut gegangen und Pam, die sich auf dem Rücken sehr wohl gefühlt hat, hat ein paar Fotos geschossen. Ich hab mich nicht getraut, die Zügel loszulassen, obwohl die Pferde total brav waren. Sicher ist sicher!
Danach sind wir nur ein kleines Stückchen weiter gefahren zum 'Jewel of the Creek'. Das ist ein kleiner Wasserlauf in 'nem Tal, der zur Zeit relativ trocken liegt, weil es nicht geregnet hat seit 3 Monaten. Aber alles dort war trotzdem sehr grün und wunderschön. Total komisch, mal wieder richtige Bäume zu sehen, mit gelbem Herbstlaub und so! Dort sind wir eine kleine Runde gelaufen und das ist auch der Ort, wo wir am 18.12. unsere Verlobungsfotos machen werden. Da bin ich schon sehr gespannt drauf.

Mittwoch war der Tag vor Maddies Abreise, also haben wir was Schönes gemacht und Weihnachtsplätzchen gebacken. Doch weder mir noch Pam waren die Keksgötter wohlgesonnen. Ihre Shortbread Cookies waren am Anfang viel zu trocken, weil sie sich im Rezept und daher in den Mengenangaben vertan hatte. Nachdem der Teig gekühlt war, mussten wir nochmal Butter hinzutun, damit es halbwegs funktionierte. Schmecken jetzt aber ganz gut. :) Maddie hat richtig leckere Erdnussbutter-Küsse gemacht. Das sind eine Art Erdnussbutter-Zucker-Mehl Kekse, in die nach dem Backen, wenn sie noch weich sind, ein 'Hershey's Kiss' hineingedrückt wird. Total lecker! Ich wollte natürlich meine Lieblingskekse, Zimtsterne machen und habe Mama um das Rezept gebeten. Und damit nahm die deutsch-amerikanische Küchen-Miskommunikation ihren Lauf.. Denn das Rezept verlangt nach gemahlenen Haselnüssen oder Mandeln, ganz normal für Backanleitungen im deutschen Raum. Aber als ich hier 'ground almonds or hazelnuts' gesagt hab, sah ich hauptsächlich Fragezeichen in den Gesichtern. Ob ich sie selbst mahlen würde mit der Küchenmaschine? Oder ob ich Mandelmehl meine? Irgendwann hab ich also einfach gesagt ja klar ok, lass uns die einfach mit der Küchenmaschine mahlen. Dann gab es im Laden allerdings keine normalen, ganzen Haselnüsse, sondern nur welche, die noch in ihrer Hülle steckten. Also alle vorher einmal in den Ofen stecken, knacken und dann in die Maschine. Darin wurden die Nüsse zwar schon sehr klein, aber eben nicht so schön klein wie man sie in Deutschland kaufen kann. Nochmal fragt Pam mich, ob ich nicht Mandelmehl meine und ich vereine, weil Mehl ja wohl zu fein gemahlen ist. Beim Kneten dann ist der Teig viel zu klebrig, weil die Nüsse nicht fein genug sind.

Wir mahlen also noch ein paar Nüsse mehr und geben sie dazu, aber das reicht nicht. Das geht so lange weiter, bis alle Nüsse weg sind, der Teig aber immer noch zu klebrig. Also wird mit normalem Mehl nachgeholfen und als ich irgendwann sage, dass Mandelmehl wahrscheinlich keinen Unter-schied mache, weil das ja genau so fein ist wie das normale Mehl, holt Pam schließlich das Mandel"mehl" und es stellt sich heraus - das ist genau das, was ich gebraucht hätte. Oh man. Aber der Rest klappt jetzt so halbwegs. Vollkommen verschwitzt geht es ans ausrollen und ausstechen. Und am Ende hab ich die Kekse zu lange im Ofen gelassen, so dass sie nun eher Biscotti-Härte hatten, statt der gewünschten Softness von Mürbegebäck... Zum Glück kennt hier niemand außer Aidan die eigentlichen Zimtsterne, so dass es trotzdem allen sehr gut schmeckt. Tim ist großer Fan und stippt sich jeden Morgen so ein Brikett in den Kaffee.
Am Wochenende waren wir recht faul (außer am Glas). Am Freitagabend waren wir zur 'Cul de Sac-Happy Hour' eingeladen. Cul de Sac heißt Sackgasse. In dieser Nachbarschaft gibt es entlang der Hauptstraße immer mal wieder kleinere Abzweigungen, an deren Ende ein Wendehammer ist und dort DRUMZU liegen die Häuser. Eine Familie, die dort wohnt, kommt doch tatsächlich zur Hälfte aus Deutschland! Rafaela aus dem Schwarzwald ist mit ihrem Mann, der 12 Jahre in Deutschland stationiert war, zurück nach Amerika gegangen. Und Rafaela hatte die Nachbarn zum Social Distance Umtrunk eingeladen, also tauchten nach und nach ein paar Leute mit Campingstuhl und Cocktail auf. Das war echt cool! Später kam Brett zu Besuch und wir haben ordentlich Bierchen getrunken, über Politik geredet und sonst auch über Gott und die Welt. Toller Abend, mittelmäßiger Morgen... Da konnten selbst die richtig leckeren Doughnuts nicht helfen, die Tim nach der Nachtschicht mitgebracht hat. Es half nur ein Nickerchen. Danach sind Aidan und ich in die Zitty gefahren - ich wollte ja zumindest einmal 'Downtown' sehen. Da kann Phoenix gegen Chicago zwar nicht wirklich anstinken, aber interessant war es schon und wir haben uns die 'Roosevelt' Gegend angeschaut.
Total jung, kreativ und bunt ist es dort. Sollte Aidan also einen Platz in Phoenix für die Assistenzarztzeit zugeteilt bekommen, wäre hier auf jeden Fall eine super geile Nachbarschaft zum Wohnen (und Freunde empfangen). Denn im Sommer kann man auch abends noch überall im T-Shirt rumlaufen und ganz viel ist open-air. Abends haben wir dann mit Aidans Eltern zusammen 'Schöne Bescherung' auf Deutsch geschaut. Die kennen den Film auf Englisch eh auswendig, also wollten sie das auch mal so versuchen und ihre Deutschkenntnisse ausprobieren (beide haben seit etwa einem Jahr Duo Linguo und lernen sehr fleißig!). Sonntags gab es 'German Breakfast' - ich hab Dinkelbrot gebacken und es gab noch Aufbackbrötchen, Leberwurst und sowas alles. Hier ist Frühstück quasi alles, was deutsches Frühstück nicht ist. Dieses 'alles auf den Tisch stellen, was da ist und jeder macht sich was er will' ist echt sehr deutsch. Da erinnere ich mich auch noch gut, wie sehr Aidan das am Anfang verwirrt hat. Viel zu viel Auswahl und welche Sachen isst man zusammen und bei welchen Kombinationen runzelt Verena die Stirn...?
Woche 4:
Montags war dann Schadensbegrenzung angesagt. Alles, was wir uns am Wochenende angefuttert haben, wurde wieder abtrainiert, naja.. so hat es sich zumindest angefühlt. Am Abend vorher sind Aidans Brüder aus Flagstaff angekommen und wir sind den Camelback Mountain erklommen. Das war sehr sehr anstrengend, hat aber auch super viel Spaß gemacht. Wanderungen, die mehr klettern als laufen sind, machen mir besonders viel Laune. Pam, Finn, Seamus und ich haben uns also sehr früh auf den Weg gemacht, denn dieser Berg ist sehr beliebt, gerade bei den Städtern, weil der quasi direkt daneben liegt.

Direkt am Anfang kommt eine super steile Strecke, wo man sich an einem Geländer festhalten kann (sollte). Ab dann ist es hauptsächlich Kraxelei über dicke Felsbrocken. Pam hatte es etwas schwerer als wir, weil sie vor ein paar Jahren nach einem Skiunfall ein neues Knie bekommen hat mit Metallplatte und so. Aber wir alle haben es geschafft, sind oben schwer außer Atem angekommen und waren sogar relativ fix - eine gute Stunde haben wir bis nach oben gebraucht. Die Beine sehr am zittern, aber der Ausblick war fantastisch! Auf den Fotos erkennt man leider nicht so wirklich, wie steil es tatsächlich war, aber schon echt verrückt. Cardio rauf, Muskeln runter. Das mache ich garantiert noch häufiger! Gestern, Mittwoch, war der Muskelkater definitiv am schlimmsten. Besonders im Brustmuskel und den Oberschenkeln. Heute geht es aber wieder vollkommen klar. Danach haben wir uns gegönnt und haben zu Mittag gegessen in einem Restaurant, das für uns in Bergsteiger-Klamotten definitiv viel zu fein war. Aber was solls. Die hatten eine schöne Terrasse mit Gasfeuer in der Mitte des Tischs, das hat überzeugt.
Dienstag war dann eine dicke Pause fällig, Regeneration und so. Aber Mittwoch sind Pam und ich noch mal unter die Entdecker gegangen. Das war echt ein cooler Ausflug in die Zeit der Native Americans und später dann die der ersten Siedler. Montezuma's Castle, Montezuma's Well, Tuzigoot und Jerome.

Montezuma's Castle ist kein Schloss an sich, sondern eine Art Wohnung in 'ner Felsspalte. Dort haben sich Native Americans in etwa von 1100 und 1400 niedergelassen, um das fruchtbare Land und das Wasser des Beaver Creek zu nutzen. Warum die Häuser auf dieser Höhe waren, ist nicht so richtig bekannt - vielleicht, um den Fluten der Monsunsaison auszuweichen, oder um Feinde besser erspähen zu können. Baustoff waren Lehm, Äste und Stämme des Maulbeerfeigenbaums, der hier ganz viel wächst und total solide ist. Die verbauten Stämme sind auch heute noch dort und halten alles zusammen. Nachdem die Stätte entdeckt wurde, war es Besuchern für einige Zeit noch erlaubt, alles zu besichtigen und über Leitern hinaufzusteigen, doch das wurde nach einiger Zeit verboten, um die Struktur zu erhalten.
Montezuma's Well ist nur 10 Minuten Autofahrt entfernt und das ist tatsächlich ein verrücktes Naturwunder. Von unten aus dem Erdreich wird Wasser hochgedrückt, sodass selbst bei langer Trockenheit immer Wasser in einem großen kraterartigen Loch zu finden ist. Dadurch entsteht ein stetiger Wasseraustausch, welches sich durchs Erdreich hinaus windet und in den nahegelegenen Beaver Creek mündet. Es gibt Tierarten, die einmalig auf der Welt genau hier zu finden sind. Über ein paar Treppen gelangt man nach unten, nahe ans Wasser. Normalerweise darf man auch in einen kleinen Höhlenvorsprung hinein, aber aktuell grassiert doch tatsächlich noch ein anderes Virus - Hantavirus, das durch Rattenkot übertragen werden kann. Also leider draußen bleiben. Auch hier sind weit oben in der Felswand Einbuchtungen, in denen Menschen gelebt haben.
Tuzigoot, weitere 20 Minuten Fahrt weiter, ist dann eine ganze Ansammlung von kleinen 'Wohnungen', deren Mauerüberreste heute noch dort stehen. Und obwohl all diese Siedlungen räumlich doch sehr nahe waren, ist es sehr wahrscheinlich, dass alle eigene Stämme waren mit eigenen Bräuchen und Sitten. Hier, sowie auch bei Montezuma's Castle gibt es kleine Souvenirläden, in denen traditionelle Güter der Native Americans zu kaufen sind.
Mittlerweile haben wir Hunger und machen uns auf den Weg nach Jerome. Das ist ein altes Bergbaudorf, das heute hauptsächlich vom Tourismus lebt, etwa 500 Einwohner hat und sehr hoch am Berg gelegen ist.


Zu seinen goldenen Zeiten wohnten hier etwa 15.000 Leute, die fast alle von der Kupfermine lebten. Mit der Zeit wurde dann auch Gold, Silber und Zinn abgebaut. Warum auch immer war diese Stadt jedoch von zahlreichen Feuern geplagt, welche immer wieder ganze Teile der Stadt niederbrannten. Dazu kamen von Erdbeben oder Bergbauschäden erzeugte Erdrutsche. Vielleicht kommt es durch diese ganzen Schicksalsschläge, dass dieses Städtchen den Ruf hat, sehr verspukt zu sein; wir hatten Lunch im 'Hauted Hamburger', das große Hotel hat ein heimgesuchtes Restaurant und viele der ansässigen Künstler bauen das Thema in ihre Street-Art mit ein. Künstler gibt es tatsächlich sehr viele hier (die Aussicht würde wahrscheinlich so einige inspirieren, viel Platz für Gedanken). Schmuck, Glasbläserei, Leder und besonders gestaltete Minerale gibt es in zahlreichen Galerien. Damit haben wir den Rest des Nachmittags verbracht; durch einen Laden nach dem anderen schlendern und was mich total fasziniert hat, war ein Antiquitätenladen, an dem wir auf dem Hinweg vorbeigefahren sind und an angehalten haben. So eine verrückte Atmosphäre - es gab einfach ALLES. Ein komplettes Labyrinth aus Räumen und vollgestellt mit wunderbarem Krempel aus alten Zeiten. Man hätte Stunden dort verbringen können!
Auf dem Rückweg bin ich dann direkt eingenickert, so kaputt vom ganzen Rumlaufen war ich. Aber vorher habe ich Pam noch in die Freuden des Podcast-Hörens eingeführt, damit ihr nicht so langweilig wurde, während ich am pennen war. Top Tag!
Als letzte Unternehmung des einmonatigen Aufenthalts in Arizona haben wir erst ein Fotoshooting anlässlich der Verlobung - besser spät als nie ist da die Devise, besonders da wir ja in ein paar Tagen schon vermählt sind. Nicolette, die Fotografin kennt die Walters bereits, sie macht viele Fotos für Familien aus der Gegend um Estrella und sehen echt toll aus (sie wird auch unsere Fotografin bei der Hochzeit sein, zum Insta auschecken hier: nicddkphoto)! Die Location war bereits hier im Blog zu sehen - Jewel of the Creek, richtig schön wird das glaube ich aussehen, denn die Sonne ist passend untergegangen und alles hat geleuchtet. Finn ist auch mitgekommen, denn im Anschluss geht es mit 2h Fahrt gen Norden nach Flagstaff. Dies ist nicht nur Aidans ehemalige Unistadt, sondern auch die beiden Brüder studieren hier an der Northern Arizona University.

Wir werden Alex und Jess besuchen. Brett kommt auch und eine weitere Freundin aus Schultagen kommt mit ihrem Verlobten und Kindern. Ich bin richtig froh, damit nun auch Aidans letzten engen Freunde kennenzulernen. Jess' Vater hat ein relativ großes Haus geerbt, in dem sie nun mit Alex lebt, sodass wir alle gut Platz zum Schlafen hatten. Am Wochenende selbst haben wir dann nicht viel gemacht. Hauptsächlich spielen, trinken, Emilys ultra süßen Kindern beim Videospiele zocken zugucken und essen. Zum Glück finden wir uns alle sympathisch. Hatte da zwar eigentlich auch keine Bedenken, aber so ganz weiß man ja doch nicht. Sie alle sind mega happy für uns, dass es nun endlich klappt. Und ich hab noch mal mehr gemerkt, wie es kommt, dass Aidan so ein witziger Typ geworden ist - das Gegacker hatte in diesen zwei Tagen kaum ein Ende. Samstags waren wir dann leicht verkatert in der Stadt unterwegs, haben einen Kaffee getrunken und Schaufenster-Shopping betrieben. Bevor wir sonntags wieder zurück sind, haben wir uns noch draußen in der Sonne mit einem Kumpel vom College hingesetzt und gefrühstückt. Der und seine Frau haben sind zufällig am Morgen davor an unserem Auto vorbeigelaufen und Aidan hat sie angeschrien, ob wir uns nicht Sonntag zum Kaffee verabreden wollen. War super. Ein Roadtrip wäre kein Roadtrip, wenn ich nicht mindestens eine wichtige Sache vergessen hätte - also sind wir wieder zurück zu Alex und Jess, um meine Wasserflasche, meinen Pullover und Omas vererbte Ohrringe abzuholen...
Das Packen ging dann relativ schnell und weil wir so unglaublich genial effizient sind, konnten wir sogar noch eine große Reisetasche voller Weihnachtsgeschenke mitnehmen. Davon wird auch der nächste Eintrag handeln, aber erstmal - Feiertage genießen! Der letzte Monat war genial, und immer noch bin ich unglaublich dankbar dafür, überall so herzlich aufgenommen zu werden. Das ist nicht selbstverständlich. Fröhliche Weihnachten!
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